Regierungsentwurf zum Urheberrechtsgesetz ist Bankrotterklärung
12.11.2002, 15 Uhr - Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.
PRESSEMITTEILUNG
Regierungsentwurf zum Urheberrechtsgesetz ist BankrotterklärungExistenzgrundlage für Anbieter digitaler Inhalte ist massiv bedroht
Düsseldorf, 12. November 2002 (press1:iBOT)
In dieser Woche steht wieder einmal der Entwurf zum neuen Urheberrechtsgesetz im Bundestag auf dem Prüfstand. Zur Stellungnahme des Bundesrats, die in einigen Punkten grundsätzliche Änderungen empfiehlt, hat das Bundesministerium für Justiz in der vergangenen Woche eine Gegenäußerung vorbereitet. Der Entwurf dieser Gegenäußerung, der dem Deutschen Multimedia Verband (dmmv) e.V. inzwischen vorliegt, beinhaltet eine faktische Legalisierung der Vervielfältigung von Raubkopien. Der dmmv legt in diesem Zusammenhang Wert auf die Feststellung, dass Privatkopien nach seinen Vorstellungen weiterhin erlaubt sein sollen. Die Urheberrechte digitaler Produzenten müssen jedoch in der Gesetzesnovelle adäquat berücksichtigt werden. Der vorliegende Entwurf hebelt dieses grundsätzliche Erfordernis, mit dem die wirtschaftliche Grundlage der Anbieter digitaler Werke gesichert werden soll, aus.
"In diesem Punkt wird der Regierungsentwurf den Möglichkeiten und Rahmenbedingungen interaktiver Medien nicht gerecht. Ohne rechtliche Grundlagen, die einen ausreichenden Schutz vor Missbrauch und Piraterie gewährleisten, wird die Investitionsbereitschaft in der Medien- und Internetwirtschaft massiv abnehmen" warnt Friederike Behrends (Bild.T-online.de AG & Co. KG), Leiterin des dmmv-Arbeitskreises (AK) Medienpolitik, vor den Konsequenzen des Entwurfs. Der Entwurf trägt nach Auffassung des dmmv zu einer weiteren Schächung des Medienwirtschaftsstandortes Deutschland bei. In der ohnehin angespannten gesamtwirtschaftlichen Situation sind die Regierungspläne absolut ungeeignet Arbeitsplätze in der Medienwirtschaft zu sichern, geschweige denn neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Bereits bis Ende Dezember 2002 muss die Umsetzung der Europäischen Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG) in deutsches Recht abgeschlossen sein. Der dmmv wird daher noch in dieser Woche Gespräche mit Regierungsvertretern nutzen, um Nachbesserungen am Entwurf anzusprechen. So unterstützt der Verband zwar den Anspruch, Nutzer mittels Pauschal- und Individualvergütung nicht doppelt zu belasten, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass eine grundsätzliche Ablehnung individueller Lizenzierungen deplaziert sei: "Letztlich werden sich ohnehin nur Abrechnungsmodelle durchsetzen, die auf Nutzerseite akzeptiert sind. Allerdings sollten sich diese auch an Nutzergewohnheiten und -intensität orientieren können" so Dr. Christian Dressel (Premiere Fernsehen GmbH & Co. KG), ebenfalls Leiter des AK Medienpolitik.
Erst im September hatte der dmmv zwei Gutachten zu den Schutzmöglichkeiten digitaler Güter präsentiert. Eine der zentralen Forderungen des juristischen Gutachtens, ausschließlich Kopien von legalen Quellen (sprich: rechtmäßig erworbenen Originalen) zuzulassen, bleibt im vorgelegten Entwurf unberücksichtigt. "Anleitungen zum Hacken und Cracken digitaler Inhalte sowie die kommerzielle Verbreitung digitaler Werke über Peer-To-Peer-Netzwerke sind mit einem immensen Schaden für die Digitale Wirtschaft verbunden. Was sollte Verbraucher motivieren überhaupt noch Geld für digitale Inhalte - egal ob es sich dabei um Software, Musik, Filme oder Dokumente handelt - auszugeben, wenn er jederzeit und kostenlos Kopien ohne Qualitätsverlust bekommen kann?" skizziert Alexander Felsenberg, dmmv-Vizepräsident und Geschäftsführer, das Grundproblem.
Nach Auffassung des Rechtsexperten Prof. Dr. Ulrich Sieber (Ludwig-Maximilians-Universität München) sorgt gerade die öffentliche Verbreitung von Tools zur Vervielfältigung von digitalen Inhalten und zur Umgehung von Schutzmechanismen für erhebliche wirtschaftliche Schäden. In der derzeitigen und laut Entwurf geplanten Gesetzgebung erfüllt die Veröffentlichung derartiger "Vorarbeiten" keinen Straftatbestand, obwohl sie sich ganz offensichtlich nicht mehr auf den privaten Bereich beschränken. Der dmmv teilt die Ansicht des Münchener Ordinarius' für Strafrecht, Informationsrecht und Rechtsinformatik, nach der die Rechtsgrundlagen zu Gunsten der Anbieter von digitalen Inhalten reformiert werden müssen.
Die Frage nach der Intention, die sich hinter den einschlägigen Anleitungen und Angeboten verbirgt, stellt sich laut Christian Dressel erst gar nicht: "Ob digitale Inhalte über ein Netzwerk aus rein kommerziellen Gründen oder nur aus 'Liebhaberei' zugänglich gemacht oder verbreitet werden, ist unerheblich, wenn den Rechteinhabern dadurch Schäden im großen Stil entstehen." In jedem Fall aber sei sicher, so Dressel weiter, dass Nutzer häufig auch ohne irgendeine kritische Prüfung wissen, ob es sich um Inhalte aus einer legalen Quelle oder um Raubkopien handelt."
Für Friederike Behrends steht die Zukunft der Medien- und Internetwirtschaft auf dem Spiel: "Kein Unternehmen wird Geld in die Entwicklung kostenintensiver, digitaler Inhalte investieren, wenn ein ausreichender Schutz für diese Inhalte rechtlich nicht gewährleistet ist." Der dmmv wird seine Position beim nächsten Treffen mit Vertretern der Regierungsseite noch einmal vorbringen. Dabei setzen die dmmv-Vertreter vor allem auf die mehrfach von Seiten der Regierung zugesagte Unterstützung für die Digitale Wirtschaft, die sich an dieser Stelle in praktische Politik umsetzen ließe.
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